Wissen als Seinsebene – Einführung in die ExistenzEbenenAnalyse (Folge 13)

14/3/17 +++ In unserer kleinen Reihe zur Einführung in die transzendental-empirische Denkweise der ExistenzEbenenAnalyse erreichen wir heute mit der achten Ebene im „Trichter des eigenen Lebens“ einen hohen Abstraktions- und Elementaritätsgrad: Im Seinsbereich des Erkennens oder der Erkenntnis geht es für den real existierenden Menschen um basale Grundvorstellungen von „Wissen“ und „Wahrheit“.

Seit Immanuel Kant gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Quellen und Grenzen der menschlichen Vernunft-Erkenntnis kritisch erfasst und gezogen hat, kann man in der Philosophiegeschichte von der Existenz einer eigenen Fachfrage-Richtung sprechen: der „Erkenntnistheorie“, die in der Folge in verschiedenen „Wissenschaftstheorien“ weiter ausgearbeitet wurde. Die Erkenntnismöglichkeit des Menschen als Vernunft-, Verstandes- und Gefühlswesens hängt nach Kant grundsätzlich davon ab, mit welchem Erkenntnis-„Apparat“ das Wesen Mensch „arbeitet“. Nur was ich wahrnehme (also aus nicht weiter erklärbaren, irgendwie von außen – oder auch von innen – auf mich zu kommenden Empfindungen „synthetisiere“), kann mir mit meinem gedanklich-begrifflichen (und dann auch ästhetisch-reflektierenden) Verknüpfungsapparat zum „Gegenstand“ und in der Folge zur Erkenntnis im Sinne von (kausal-) gesetzlich orientiertem (vor allem naturwissenschaftlichem) Wissen werden. Alle „großen“ Ideen der Philosophie-Theoriegeschichte von Sein und Welt über Seele bis zu Gott können so grundsätzlich nicht positiv erkannt (logisch begründet, gesetzmäßig abgeleitet) werden. Sie erhalten ihre Bedeutung aber als Postulate oder regulative Ideen, die die Möglichkeit von Rationalität garantieren, gerade auch im Bereich der praktischen Vernunft (Ethik, Moral).

Mit dieser anthropologischen Rahmen-Konstruktion wurde Kant zum Urvater aller modernen „Konstruktivisten“, so radikal neu diese sich auch immer geben mögen, wenn sie soziale und andere Systeme mittels einer evolutionistischen Hintergrundtheorie de- und rekonstruieren. Der moderne Mensch lebt und forscht nun lange schon damit, sich seines Wissens nie ganz sicher sein zu können, wenn mit „Sicherheit“ eine Art Direkt-Durchgriff des Denkens auf das Sein "an sich" (Kants "Ding an sich") gemeint ist. Aus dieser Grundhaltung heraus sind in der modernen Geschichte vielerlei Relativismen entstanden – auch in der (Theorie der) „Wissenschaft“, in den ethisch-kulturellen Werte-Welten insbesondere der westlichen Welt sowieso. Damit schlägt sich der Einzelne heute bewusst oder unbewusst andauernd herum. Die nicht hintergehbare Relativität des eigenen Wissens (mitsamt der daraus folgenden mühsamen Forschungs- und Diskurs-Prozesse in der differenzbasierten Gesellschaft und im inneren Selbstgespräch) wird in den letzten Jahren verstärkt von irreführend als „Populisten“ bezeichneten Banalitäts-Fanatikern unterschiedlicher Couleur in Frage gestellt, zum Beispiel mit uralten, hilflosen Einheitsparolen etwa aus völkischen oder religiösen Mythen (in Deutschland als „Neue Rechte“, „AfD“ etc. aufzufinden, weltweit auch als „Islamismus“ oder in anderen sektenhaften Einfachangeboten der Scheinerkenntnis von „Sein“ und „Wahrheit“).

Der reale Einzelne in unserer (westlichen) Welt kann aus seiner historisch gewordenen konstruktivistisch-relativistischen Grundstruktur im Großen und Ganzen aber trotz gelegentlichen Unbehagens nicht heraus. Zu überzeugend wirkt die kantische Konstruktion bis heute auf die Vernunft des Abendländers. Er sucht stets nach „Zusammenhang“ und „Sinn“, ohne doch den „letzten Grund“ (oder Boden seiner oder aller Phänomene Existenz) wirklich finden (das heißt: glauben) zu können. Als philosophisch Interessierter ringt er vielleicht mit den nicht bündig auflösbaren kommunikativen Problemen des sprachlich vermittelten „Verstehens“ (zum Beispiel mit der klassischen geisteswissenschaftlichen Methode der „Hermeneutik“) oder der immer schon perspektivischen „Intersubjektivität“ in (selbst-) rechtfertigenden Dauergesprächen in der Gesellschaft, ihren Medien, den Familien, Institutionen und Unternehmen, wo Entscheidungen jedweder Art wahrscheinlich in den allermeisten realen Fällen sozial-sprachliche Kompromissergebnisse darstellen – und keineswegs einer schon theoretisch (und praktisch noch weniger) schlicht nicht feststellbaren „Fakten-Lage“ entsprechen.

Im philosophischen Praxis-Gespräch geht es immer wieder um diese unaufhörliche Auseinandersetzung mit der „eigenen Wahrheit“ und eigenen „Erfahrungen“ gegenüber oder in Verbindung mit der „Wahrheit“ und den Erfahrungen der anderen. Die Seinsebene der Erkenntnis führt hier zurück auf die verschiedenen Ebenen des sozialen Mit-Seins im in dieser Reihe beschriebenen "Trichter" des eigenen Lebens. Die Frage bleibt immer: Welche „Erkenntnisse“ als lebbare „Glaubenssätze“ strukturieren meine (und deine!) Welt, für mich und für dich und für die anderen?

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